05.10.2022

Bei den Meffis

(Beinahe) mit Picknick-Korb und Laurenz Mefferdatis

Foto: Martin Heinen
von Martin Heinen
 

Der Mini-Bagger rotiert in der Herbstsonne. Es wirkt wie ein Tänzchen, wie ein letztes nach fast getaner Arbeit. Als hätte er über Jahrzehnte keine Chance und keinen Auslauf gehabt, sich nochmal sinnvoll und freudig zu drehen. Es könnte ein breites Sandufer sein, auf dem er wirbelt. Es scheint so, wenn man  kein Foto von früher dabei hat, das die Szenerie in der Erinnerung zurückdreht: an ein Hochhaus des Parkens, das auf diesem Platz, der keiner war, in dieses Areal versenkt worden ist. Das war am Ende der 60-er Jahre. Ein  Massiv aus Beton. Ein künstlicher Berg, also ohne Wanderwege. Aber mit Treppen-gängen, denen zuletzt die Stufen weggebrochen waren, dass fast überall nur noch dünne, rot-weiße Absperrbänder zur Vorsicht flatterten, eher noch verharmlosend.

Von der oberen Ebene konnte man tatsächlich einen lichten Spaltblick haben: in die schmale Schlucht zum roten, eher rötlich-verdunkelten Bezirk hinunter. Wie von einer falschen Insel aus. Und auf einen halben Himmel schauend, der gerade hier die Aussicht und die Welt teilte.   

Die Sonne scheint heute wie eine himmelblaue Lampe zur Platzbeleuchtung. Auf das saftige Orange der Ebene. Würden nicht ab und zu ein paar dicke, schwarze Elektro-Kabel und weiß-gerillte Plastik-Wasserrohre hervorlugen, die irgendwie neu, aber auch vergessen wirken, könnte man es auch für ein überdimensioniertes Fundament halten. Und/oder für einen Sandkasten, auf dem noch etwas hochgezogen wird. Alles ist schön aufgeräumt und ordentlich planiert.

Parkhaus kommt von Park.

Links parkt und strahlt ein Dixie-Klo in Fa-Duschgel-Blau. Es wird wohl auch noch abgeschleppt werden. Als letzter Zeuge, bevor die Gärtner*innen kommen. Dann auch weggefahren – wie der Klotz, das Parkhaus Büchel, das aber leider keine Rollräder hatte – und deshalb ganz emsig mit Abrissbirne sowie Schlaghammer rasiert und im Betonschredder pulverisiert wurde. Kein Stäubchen erinnert jetzt mehr daran. Außer vielleicht noch an der Restmauer –  ganz hinten in der Ecke, die wohl als Relikt bleiben durfte und die einmal – vor vielen Sommern und Wintern – wild besprüht wurde. Vielleicht um zu markieren, das hier doch noch anderes Leben, positives und lebenswertes, existierte. Am Rande zumindest, aber mitten in der Stadt. Mit Dosenfarben bunt begrünt, wahrscheinlich in einer Nacht heimlich angemalt, die kaum so dunkel gewesen sein konnte, wie das Innere, der Schlund des großen, grauen Dings, das hier mal – auf welcher Mission und/oder Irrfahrt auch immer unterwegs – als unkaputtbarer Garagen-Megatanker in Kastenform gelandet ist. Monumental, auch in der Monotonie. Für nützlich, gar für progressiv und alternativlos gehalten – als bewegloser Abstellraum für die Selbstver-ständlichkeit, sich von A nach B bewegen zu können. Normal und alltäglich, damals – und bis vor kurzem.

Das Parkhaus, selbst dieses, war auch so etwas wie ein Park, also im Sinne von Parken. Da fehlte ja nur noch Efeu, das man dann später von Kübeln aus an der Vorderfront hinaufwuchern ließ, um den Anschein von immergrünen Girlanden ans Grau zu klatschen. Aber auch das invasive Kletterkraut war chancenlos und verschied in einer anderen Form von literweisem Gelb als schleichendes Gift, flüssig ausgeschieden. Geblüht hat es – im Gegensatz zum kranken Beton etwa –  ja leider auch nie.

Das Parkhaus mit der größten anzunehmenden Wegfahrsperre.

Man muss jetzt gnädig sein und beschwichtigen, dass es andere Zeiten waren, als man es verankert hat, als man es schön, praktisch und modern fand: Das Parkhaus Büchel – mit der größten anzunehmenden Wegfahrsperre. In den Rückspiegeln der LKWs, die unlängst noch mit den Überresten der Stadtgarage wegrollten, kann man die Fatamorganas der Ideen zu ihrer Umgestaltung noch deutlich erkennen. Es war fast alles dabei: Eine Trendbox mit vielen kleinen Geschäften, ein Shoppingcenter, eine Eisbahn, ein Hotel…Es war eine Reise ohne Karte und Navi, die über 33 Jahre ging – und nirgendwo hinführte. Als längstes anzunehmendes Laufband. Vor Jahrzehnten gab es hier tatsächlich schon mal eine Abrissparty, die „Einstürzende Parkhäuser“ hieß.

Allerdings 1: Auch dieses Parkhaus stand (mal) für Transformation. Allerdings 2: Hier war zum Ende hin das Parkticket wohl noch das Einzige, was man überhaupt noch anfassen durfte und sollte. Es war ein Messi-Parkhaus, tot, aber wie ein Untoter behandelt. Man hat es – und dafür konnte das Ding nichts – übelst verkommen und so langsam dahinsiechen lassen wie kaum etwas anderes – so rund um Dom und Rathaus. Ehemals gedacht als stehende Station für`s Mobile – und dabei irgendwann auch als die immobilste, statischste Immobilie, die es überhaupt gab und die viel zu lange zum Himmel stank – und an die Fenster im Viertel und weiter. Als Müllplatz, Schandfleck und Ruine – direkt und auch im übertragenen Sinne: total abgestellt, aber nie abgemeldet. Für alles Mögliche, für alle Ideen und Nicht-Ideen an der Kippschranke in und vor den Köpfen, die das Finale entscheiden sollten. Im endlosen Stopp&Go. Für alles und für nichts. Das arme Ding.

Mit dem neuen Bilderrahmen (unter dem Arm).

Dieser Duft, den auch der thermale Schwefelrauch aus den Gussdeckeln am Bahkauv manchmal kaum überlagern konnte und der einem schon direkt in der Nase lag, wenn man nur an das Ding dachte, ist nun weg. Verkippt, verflogen und fast vergessen. Auch der Staub der letzten Monate hat sich hier in möglichst ferne Fernen verflüchtigt. Man kann die Fenster wieder öffnen, wenn man dort wohnt. Wenn man nur vorbeischlendert, fällt aber der neue, übergroße Bilderrahmen auf. Er ist nur eine Baulücke, die hier ebenfalls schon seit Ewigkeiten existiert und verwahrlost herumlungert. Die Lücke ist wirklich historisch – im negativen Sinne. Bevor auch sie nun wegkäme, sollte sie aber doch bleiben: Für immer. Wegen der Aussicht. An der Fiktion, die museal ist: Genau da, wo das Haus mit der getilgten Nr. 20 in der Mefferdatisstraße stand. Das ist längst vergangen – und man kennt es nur als Lücke und als hässlicher Hinterhof des Parkhauses. Bisher.   

Die Lücke aller Lücken: Nun ist sie plötzlich und unerwartet ein etwas anderes Schaufenster. Darin lebt ein großer, üppig grüner, anscheinend auch gesunder Baum – von welcher extrem widerstandsfähigen, zuversichtlichen und hoffnungsvollen Art auch immer. Er hat etwas von Allein-Oase in der Ödnis zwischen den Häuserwänden. Im anderen Charme von Marode-, Verlassen- und Verkommensein, der hier durch die Straße pilzt(e). Aber: Unter und mit ihm steht man nun wie auf einem Plateau auf Höhe Null des Aachen-Spiegels. Seitdem der Blick frei ist. Und man staunt.

Links an der hohen Wand kann man noch die Konturen von weggerissenen Zimmermauern erkennen, unten krabbelt eine verschmierte Graffiti-Raupe am Sockel entlang, also eher auf der Stelle. Die paar Autos, die hier noch abgestellt sind, wirken fast wie aus der Bronx hineingepostet. Wie auf einem kleinen Auto-Friedhof.

Man wird jetzt abgeholt.

Der Blick nach vorne allerdings ist neues Kino – hinüber zur realen 3D-Großleinwand. Der Raum im Spalt zwischen den Bauten ist (vielleicht) ein Strand-Park-Platz, dem noch die Stege fehlen. Man wird jetzt abgeholt. Es macht klick. Es ist ein Blick über eine flache Dünenlandschaft ohne Dünen. Ganz neu, frei und befreit, fast romantisch, leicht aufsteigend. Der kleine Bagger und alles andere, was unten am Boden klebt, verschwimmen im Weiterflug zur Domkuppel und zur Spitze von St. Folian hinauf. Es ist ein neues Tal, das sich auftut, nicht nur eine Schneise. Man muss nicht zoomen, man braucht kein Weitwinkel, um dieses Panorama ganz nah und komplett erfassen zu können. Irgendwie schaut man wie vom „Lousberg“ – nun aber mal von unten und von der Seite. Dazu braucht es auch kein installiertes Fernrohr, das schweifend ein Motiv sucht. Es ist eine neue Karte, zu der davor (und gegenwärtig) das Temporär „Post“ wundersam passt und liefert. Mit einem schönen Gruß.

Allein vor der Sandwiese. 

Auch eine uralte Baulücke kann vieles neu erschließen. Und auch mit der Tatsache überraschen, dass man hier durchatmen kann. Ziemlich frische Luft – am geöffneten Balkon in Parterre. Tatsächlich. Jetzt rauscht es auch noch im Baumwipfel. Kein Mensch weit und breit. Allein vor der Sandwiese. Vielleicht fehlt hier noch ein Stuhl- oder Liegestuhlverleih – oder eine Parkbank mit Uhr. Vor den phänomenalen Gucklöchern im Gitterzaun – und darüber. An den beiden Wänden wäre auch noch genug Platz für z.B.: Grasssamen-Automaten, also für die große Wiese, die da vorne wachsen soll. 

Und: Würde man an der unterliegenden Komphausbadstraße noch ein oder zwei Häuser um- oder auspflanzen, dann gäbe es ja tatsächlich die neue, direkte (Strand)-Promenade – vom Bushof hinauf zu Markt und Dom. Wasser gibt es hier ja auch massenhaft. Also darunter. Daran erinnert auch eine Plakatinschrift, die die „Bürgerstiftung Lebensraum Aachen“ an der rechten Hauswand mal anbringen ließ: „Der große Monarch: Die Quelle wurde im 19. Jahrhundert von früheren Luxushotel „Zum großen Monarchen“ am Büchel genutzt, das hochrangige Gäste, z.B. den Vizekönig von Indien, beherbergte.“ Zitatende. Heute verirrt sich hier wohl niemand mehr mit dem Koffer hin. Der Hinweis, bisher eher gut versteckt und abgelegen, ist Teil der Aachener Thermalroute.

Neo-Klopfgeräuche in den Häusern 14 und 16-18.

Würde man jetzt an die Wand klopfen, würde es Patricia Yasmine Graf wohl kaum hören. Darin – im Haus mit der Nr. 16-18 und gleich daneben in Nr. 14, wo mal eine der 1000 Kneipen Aachens sprudelte, streicht sie im Hinterraum zwei Türen in Neon-Orange. Es könnten die letzten sein, die noch einen Neuanstrich brauchen. Nach 30 Monaten, nachdem sie mit anderen zum ersten Mal hier war. Es muss eine Besichtigung in eine gewisse oder gar ganz traurige Tristesse des Leerstandes gewesen sein. Ins Graue – und dann aber auch ins Blaue und in die konzeptionelle Alternative hinein betrachtet, was hier konkret (noch) möglich sein könnte. Wenn das Parkhaus mal weg ist – und die Wiederbelebung starten soll. Von hier aus, wesentlich von dieser Ecke aus – in Richtung des neuen Büchel-Horizonts.

Eine heile Welt.

Wenn man ganz viel Erinnerungsvermögen und Phantasie hat, kann man sich in etwa nochmal ins Gedächtnis rufen und ausmalen, dass die Welt in diesen Räumen mal ganz heil, bunt und süß war. Wegen der Kindermoden, den chicen und wirklich nicht billigen. Wie hübsch das war – damals, so ganz damals. In einer Verkaufslage angeboten, die mal tatsächlich frequentiert, mal gut und in Ordnung war, obwohl sie auch „Hinter Horten“ lag. Auf dem Schattenweg zur Puff-Gasse, über die unfreiwillig der Heilige Antonius die Hand hielt, hält und nach Ratsbeschluss auch weiter halten sollte. Zu ihm soll man beten, wenn man etwas verloren hat. Liebe vielleicht auch, oder Geld oder Ideen oder Zukunftsglauben oder Autoschlüssel, oder vielleicht auch Einzelhandelsgeschäfte oder Kaufkraft oder den AMAZON-Zugangscode. Oder alles zusammen.

Heiliger Antonius, hilf.

Der Antonius soll vieles schützen: Frauen und Kinder, die Ehe, auch Pferde und Esel. Und vielleicht hält er seine rettenden Arme doch nochmal anders und höher – auch über die Zukunft dieses Viertels. Man wird beide (und noch mehr) brauchen, wenn es sich zum Besseren entwickeln und bewahrheiten soll. Ob man gläubig ist, oder eben nicht. Er steht auch für die Linderung der Not – und er verbrachte Wunder, allerdings nur in Padua und in der Nähe davon. Und er hilft auch etwas bei der Namenssuche: Die Kindermoden-boutique hieß „Bambini“ oder „Bariole“ – auf jeden Fall war es etwas mit B wie Büchel. Oder auch nicht.  

Hier sind die Meffis gelandet.

Am Schaufenster, wo früher der Strampler oder der Kommunionsanzug blinkte, informiert nun ein Willkommensbrief über (fast) alles, was erstmal gesagt werden muss: „Hi, wir sind die Meffis! Wir gestalten hier offene Räume für Stadt, Kultur und Menschen. Als Zusammenschluss von Initiativen, Pionier:innen und Stadtmacher:innen schaffen wir hier einen Ort, an dem die sozial-ökonomische Transformation unserer Stadt diskutiert, gestaltet und erlebt wird. Mit uns entsteht am Büchel ein Freiraum für Begegnung, gesellschaftliches Engagement und kreative Entfaltung. Auf einer Fläche von 300 qm gestalten wir in vier aneinander grenzenden leerstehenden Ladenlokalen einen Co-working und Creativ Space, einen Makerspace inklusive Werkstatt und Repair-Cafe, eine selbstorganisierte Café-Bar sowie eine multifunktionale Eventfläche mit kleiner Kulturbühne, die anlassbezogen als Bühne für Konzerte, Theateraufführungen und Ausstellungen oder auch Podiumsdiskussionen u.v.m. genutzt werden kann.“

Das war und ist die Präambel, zu deren Basis gehört, dass die Städtische Entwicklungsgesellschaft SEGA die beiden Immobilien kaufte und die untenliegenden Laden- und Kneipenräume den Meffis, die sich als gemeinnützige Verein konstituierten, als Neumieter (erstmal für zwei Jahre) zur Sanierung und  Neugestaltung überließ. Für die Meffis – als wesentliche Impuls- und Kreativgemeinschaft für das Büchelviertel, die den zentralen Anschub leisten soll, hier wieder in Fahrt und auf die positive Spur zu kommen.

Die Meffis sind nicht allein: Zu ihrem Netzwerk von rund 60 Initiativen, so fast Graf zusammen, die eine wesentliche Macherin des Gesamtprojektes ist, gehören u.a.: Aktion Sodis e.V., Digitac e.V., Ende Gelände, Rock your Life Aachen e.V., Health für Future Aachen, Hotel Total Kreativ- und Eventagentur, Fridays for Future, das Theater SOSH, die Bürgerstiftung Aachen Lebensraum, PAN – Plattform Aachener Nachhaltigkeit, TechAachen e.V…  

Meffis kommt namentlich von Mefferdatis.

Ob Laurenz Mefferdatis, der von 1710 bis 1744 der erste namentlich bekannte Stadtbaumeister Aachens war, damit zufrieden gewesen wäre, dass aus-gerechnet diese Straße nach ihm benannt ist, könnte – angesichts des derzeitigen Allgemeinzustandes – eher zweifelhaft sein. Aber zwischen seinem Gestern und Wirken und dem heutigen Zustand liegen ja auch Jahrhunderte – im Auf und Ab der Zeiten, in guten, optimistischen sowie in deprimierenden und zerstörten, also ganz schlechten. Verkehr(te) Welt. Mal so herum, mal andersherum. Mit Drehmomenten: Aufbau, Niedergang, Wiederaufbau. Manchmal geschah auch einfach nur nichts.

Mefferdatis. Einer, der herausragt(e), der aber aus dem Licht der Aachener Aufmerksamkeit eher verschwunden ist. Dabei war er ein großer Entwickler. 

Als überaus agilen Planer, Baumeister und Multi-Unternehmer. Und er muss ein großer Optimist gewesen sein: 1677, also rund 30 Jahre nach der Apokalypse des 30-jährigen Krieges und 21 Jahre nach dem großen Stadtbrand wurde er in Aachen geboren. Gab es in dieser Stadt schon mal mehr verbrannte Erde und Verlust an Leben – als prekärer Zustand und fast aussichtslose Perspektive? Mehr Grund zur Desillusion?  Außer im 2. Weltkrieg, in dem auch viele seiner imposantesten Gebäude zerbombt wurden. Eher nicht.

Mefferdatis, der Pragmatiker, der Pionier und Visionär. Tatsächlich: Mit einer Schaffens- und Werksliste für den Rat der Stadt, für kirchliche und private Auftraggeber, die schier unglaublich ist: Das „Wylre’sche Haus“ in der Jakobstraße in Aachen,  das Cornelius- und Karlsbad, genannt „Herrenbad“ (später Grand-Hotel Corneliusbad), in der Komphausbadstraße 16–18, das Haus „Papagei“ in der Jakobstraße 23, das Haus „Pelikan“ in der Hauptstraße 64, die Hofanlagen „Theodor von Oliva“ am Seilgraben 32 und „Gräfin von Gollstein“ in der Jesuitenstraße 7, der „Drimbornshof“ in Dürwiß, „Schloss Schönau“ in Richterich, der „Londoner Hof“ in der Kleinkölnstraße 18, das Haus „Königsstein“ in der Königstraße 22 in Aachen, der „Lombardsaal“ in Aachen, Pontstraße 53, das Rosenkranzportal von St. Paul in Aachen, die  Rekon-struktion des Gewölbes in St. Nikolaus in Aachen, der „Londoner Hof“ in Aachen, Kirche St. Peter in Aachen, die Pastorei der „Hervormde Kerk“ und  das Haus „Zum doppelten Anker“ in  Vaals, der Umbau von Schloss Neuburg  bei Gulpen-Wittem, die Pfarrkirche St. Nikolaus in Raeren, die  Kirche St. Nikolaus in Eupen, die Kirche St. Sebastian in Würselen bei Aachen – und so weiter und so fort.

Vieles davon: Leider zerstört. Zum Glück noch: Es gibt diese Straße, wahrlich nicht die schönste, die nach ihm benannt ist. In der man sich aber seine Gestaltungskraft ins Auge und ins Bewusstsein holen darf, wenn man auf`s Namensschild an der Stange hochschaut – und zurück wie nach vorne träumt. Fast schon wie an einer Fahne bittend. Und es winkt auch nach: Die Meffis und alle Verantwortlichen, die nun in seiner Straße stehen und machen wollen, treten kein leichtes Erbe an.

Dass die Straße nach ihm benannt ist, ist ein Zufall. Oder ein schönes Zeichen, ein Richtungspfeil und/oder auch ein Omen.

Was schon passiert ist.

Auf dem Regal, auf dem noch ein paar Holzbretter liegen, ist ein dreieckiges Schild mit grünem Rand angeheftet. Wie ein Signal vor einem Vogelreservat. Nur steht hier „Zukunftsschutzgebiet“ drauf. Förster:innen gibt es hier keine, aber noch ein paar Handwerker, die durch die Räume wandern, um zur fast letzten Tat zu schreiten. Man bringt noch Fußleisten an, also die finalen Rahmen am Boden.

Ihr Arbeitsplatz ist ein poppiges, funktional klug durchdachtes Mini-Labyrinth aus kleinen und mittleren Räume, also Spaces genannt. Alles ist professionell und auch hochwertig saniert. Manches kam vom Sperrmüll oder vom Second-Hand-Markt. Wie etwa die Küchenzeile, die in ihrem neuen Leben im zitronengelbsten Zitronengelb strahlt. Wie alles andere auch – in Einheit 2, in der sich das Kreativatelier und die Werkstatt befinden. Die ehemalige Kneipe, die jetzt im Oktober als „Meffé“ eröffnen soll, könnte auch den Namen „Extra-Orange ist the new Black“ bekommen. Gleich nebenan steht eine kronleuchtende Stehlampe neben einem Mini-Stuhl mit lila Sitzbezug im Schaufenster, die den Blick nach innen ins totale Lila magnetisieren soll. Vorhang auf:  Das ist das neue Wohnzimmer –  als Kulturbühne, als Eventraum und als neue Heimat des Theaters „SOSH“. Grüner als grün glänzt der Co-Workingraum. Alles schön und frisch und offen und vernetzt  kommunizierend wie einladend. Und nicht nur, weil es so gestrichen ist.

Auf dem Weg zurück.

Wieder draußen – auf der Straße. Hier ist es anders: Über dem Hintereingang des Horten-Raumschiffes, das wie auf einem Weltraumfriedhof verfault, ist es noch in grüner, unberührt erhaltener Leuchtfarbe nachzulesen: „Lust for life“. Damit wollte der Kaufhof-Konzern 1998 als Shopping-Enterprise in eine neue Zukunft des modern-ultimativen Kaufhauses-Konzeptes starten. Als schöne, neue Einkaufs- und Erlebniswelt, direkt am Puls, direkt am Leben – über fünf Etagen hoch und weit, die etwas von Lifestyle, Come-Together und Modernität in der Großstadt hatten. Sogar noch mit einer Skybar, von der aus auch der Musiksender „Viva“ ausstrahlte. Vorbei der Traum, die Träumerei mit Radio auch. Nach nur wenigen Jahren – für viele endlose Jahre danach vom Stecker gezogen. Aus. Tot. Funkstille. Nun harrt hier ein erdrückendes Skelett mit einer inneren Gesamtfläche von 12.000 Quadratmetern aus, das nur noch Tristesse funkt.

„Lust for Life“ – hatte nie ein Ausrufezeichen, dafür in Folge umso mehr Fragezeichen. Das mit der Lust war mal (fast) lustig –  wegen dem eher wohl unbeabsichtigten Fingerzeig zur Luststraße – dahinter.

Dieser Schriftzug signalisiert es bitter – und er hat etwas von der Cola-Dose, die mal ein paar Astronauten fanden. Neben der versunkene Freiheitsstatue im Sand. In der filmischen Zeitreise vom „Planet der Affen“. „Lust for life“ sollte ein Kontrastprogramm sein. Es gab sogar eine Sitzecke mit Sauerstoff für alle. Gratis. Heute ist der Koloss ein tragisches Sinnbild für alles, wogegen er mal angetreten ist. Und noch schlimmer verendet – als alle negativen Gegenteile, von denen sich „Lust for Life“ mal positiv abheben sollte. Eine Art Metapher: Wenn irgendwann die Kontrastfläche zwischen dem einen und dem Gegensatz davon fehlt, dann herrscht Vakuum – und nichts ist mehr lustig. Da helfen dann auch keine Kontrastmittel mehr. Nun braucht es einen ganz großen Ballon, der über dem Viertel aufsteigt. Mit ganz viel Sauerstoff. Gratis wird es ihn – nicht geben.

Fast alles verpufft.

Diese Luft ist verpufft – mal mehr, mal weniger:  Irgendwer hat wohl vergessen, noch die „Lindner“-Neon-Reklame abzumontieren. Von Marken „Belo“, ehemals ein Eldorado für Briefmarken- und Münzensammler, blieb nur die massiv verrammelte Außenhülle übrig. Die Tür ist derart mit Ketten und Metallbolzen gesichert, als wäre sie Teil eines Hochsicherheitsknastes, aus dem niemand mehr hinein- und herauskommen soll. Gegenüber droht ein Warnzettel,  der hinter das leere Schaufenster geklebt ist: „Verboten, hier Müll wegzuwerfen! Verboten, hier zu sitzen oder zu schlafen!“ Da steht nicht: Bitte positiv bleiben und weitergehen. Trotzdem: …man schlendert weiter – etwa zum „Haus der Küche“. Der „Dinosaurier“ in der Aachener Einzelhandelslichtung, der wohl gegen jeden Kometeneinschlag, jeden Konsumklimawandel und jede Innenstadt-Krankheit gefeit ist. Natürlich auch mit einer  fast angsteinflößenden Gittertür ausgestattet. Aber auch mit einem Fleischwolf für 169,95 Euro und mit einer Getreidemühle für 219,95 Euro in der Auslage werbend. Irgendwie irritierend: Ziemlich hohe Preis – in der niederen Randzone.

Auch andere halten hier die Stellung – etwa der „Coiffeur Emik“ für Damen und Herren, „The Kiosk“ mit DHL-Shop und eine kleine Damen-Boutique gleich daneben. Zudem auch: Die Fassade der „Germania Fischhallen“, bekannt als „Fisch Frohn“, ist aufwendig und wunderschön saniert. Umgesetzt vor vier Jahren – im Glauben, dass es hier…mal wieder besser…werden könnte. Neue Farbe, neues Glück? Unten, direkt vor dem Grillimbiss, ging es aber noch vor wenigen Wochen dramatisch blutig zu. Mit Messern in einem zweifachen Mordversuch.

Festgehalten.

Man geht weg – mit seltsamen Gefühlen, aber auch mit dem Blick & Klick, dass es (eigentlich) ein schönes Viertel ist. Mit der Lage, mit dem Ensemble der Gebäude, mit den Perspektiven, mit der Mischung. Man muss dabei genügend aus- und manches einblenden.  Sowieso – und auch mit der Sonnenbrille auf der Nase, weil eben noch durch die Lücke Nr. 20 die Sonne schien. Bis eine Bekannte vorbeikommt, die fragt und sagt: „Wieso trägst Du hier eine Sonnenbrille?! Hier scheint nur selten die Sonne rein.“

Sie hat recht, sie hat es bestimmt nicht böse gemeint. Sie hat gleich um die Ecke auch ein Geschäft. Lange schon. Sie hat auch durchgehalten. Besser  gesagt: ganz fest… festgehalten. 

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